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Grundsatzurteil des BGH zur Vertragsstrafe
Der VII. Zivilsenat des BGH hat am 15.02.2024 ein für das Bauvertragsrecht wegweisendes Urteil gefällt: Eine Vertragsstrafe in einem Einheitspreisvertrag ist unwirksam, wenn sie starr an die vorläufige Auftragssumme anknüpft, obgleich die finale Auftragssumme aufgrund von Mindermengen deutlich hinter der ursprünglich vereinbarten Auftragssumme zurückbleiben kann.
(1) Problemaufriss
Die Klägerin wurde von der Beklagten mit der Erschließung von Haushalten mit Glasfaserkabeln beauftragt. Im Rahmen des vereinbarten VOB/B-Einheitspreisvertrags wurden in den Besonderen Vertragsbedingungen feste Ausführungsfristen festgelegt. Zudem beinhalteten die Besonderen Vertragsbedingungen eine Regelung zur Vertragsstrafe, gemäß derer der Auftragnehmer bei Überschreitung einzelner Fristen oder der Frist zur Fertigstellung eine Vertragsstrafe von 0,2 Prozent der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer für jeden Werktag des Verzugs zu zahlen hatte. Die Vertragsstrafe war insgesamt auf 5 Prozent der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer) begrenzt.
Die Werkleistungen der Klägerin wurden fertig gestellt und von der Beklagten abgenommen, der vereinbarte Fertigstellungstermin konnte jedoch nicht eingehalten werden. Die Beklagte beglich die Schlussrechnung, behielt jedoch einen Betrag von ca. 284.000 €, den sie aufgrund der Fristüberschreitung als Vertragsstrafe gegenüber der Klägerin geltend machte, ein. Mit der Klage forderte die Klägerin die Zahlung der einbehaltenen Vergütung.
(2) Urteil des BGH
Der BGH erklärte diese Vertragsstrafe jedoch für unwirksam, da sie in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht den Anforderungen der Transparenz und Angemessenheit i.S.d. § 307 I 1 BGB entspreche.
Zur Begründung führt der VII. Zivilsenat an, dass eine vom Auftraggeber einseitig formulierte Vertragsstrafenklausel in einem Einheitspreisvertrag den Auftragnehmer gemäß § 307 I 1 BGB unangemessen benachteilige, wenn sie auf die ursprünglich vereinbarte Auftragssumme als Bezugspunkt anknüpfe.
Ein wesentliches Merkmal des Einheitspreisvertrags sei, dass die im Auftragsschreiben genannte Auftragssumme lediglich vorläufig sei und die endgültige Vergütung erst nach Feststellung der tatsächlich erbrachten Leistungen ermittelt werde. Da auch eine Reduzierung des ursprünglichen Auftragsvolumens und somit eine Verringerung der Auftragssumme grundsätzlich möglich sei, bestehe bei dieser Klausel die Gefahr, dass der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers um mehr als 5 Prozent sinke. Dies überschreite die Grenze des Zumutbaren und mache die Klausel insgesamt unwirksam.
(3) Einordnung
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf die Baubranche: Zahlreiche Vertragsmuster haben bis dato hinsichtlich der 5%igen Höchstgrenze an die „Auftragssumme“ angeknüpft. Vor diesem Hintergrund ist zu empfehlen, die bestehenden Vertragsmuster zu prüfen und ggf. zu ändern. Gerne stehen wir Ihnen hierzu umfassend beratend zu Seite und bringen Ihr Vertragswesen auf den neusten Stand.